Strange…
…da musste erst ein silbergrauer Schweizer Sir kommen, um mich mit diesem Stadion zu versöhnen. Ach was, um es überhaupt erst einmal auf meine persönliche Landkarte zu malen!

Seit sechs Jahren wohne ich fußläufig zum Wörthersee Stadion in Klagenfurt. Doch das Monstrum blieb mir fremd. Als weder Fußballbegeisterte noch massenaffine Großkonzertbesucherin war das Stadion für mich bisher vor allem etwas, das mir den Blick auf die Karawankenkette im Abendrot verstellt. Ich hab herzlich wenig mitbekommen von der Arena als öffentlichem Ort. Mit Ausnahme von gelegentlichen Autokolonnen im Umkreis, aufbrandendem Jubel oder verzerrten Hitmelodien, die an manchen Abenden herüberwehen und Fährten aus leeren Bierdosen und anderem Müll, die Fußballfanhorden am Heimweg von einem Match auslegen.

For Forest: Der Wald im Fußballstadion. Bis 27. 10. 2019 täglich (10-22) bei freiem Eintritt im Wörthersee Stadion Klagenfurt.

Flash!

Und jetzt? War ich schon das dritte Mal diese Woche im Stadion. Fühlt sich fast an wie heimkommen. Die Atmosphäre im Inneren ist jedes Mal ein Flash. Dieses stählerne Riesen-Ufo, das mit seinen vielen geraden und geschwungenen Linien allein schon eine Augenreise bietet. Die Konstruktion kracht und knarzt unter der Wärme der Sonnenstrahlen. Besucher betreten die Arena wie eine Kathedrale, besonnen, erwartungsvoll. Fachsimpelnde Flaneure, ein paar Verkehrsgeräusche von draußen, manchmal ein Vogelzwitschern.
Ansonsten: Stille.
Geht sie von dem Wald aus, der das Spielfeld fast zur Gänze abdeckt?

Kollaps des Gewohnten

„For Forest“ wird gelesen als künstlerischer Beitrag zur Klimaschutz-Debatte. Das mag passen. Für mich sind diese 299 Bäume mehr als funktionelle C02-Spender. Sie füllen das Stadion mit mehr Dichte und Frequenz, als das Ed Sheeran, Rammstein oder die Nationalelf je könnten. Sie bieten ein Bild, so anders als alles Gewohnte, genauso disruptiv wie dehnend für den Geist. Die Bäume scheinen vollkommen ungerührt von den Blicken, Fotoblitzen und Meinungskundgebungen der Besucher und senden nichts weiter aus als ihre reine, stille Präsenz. Wer offen dafür ist, kann einen Hauch davon mit nach draußen nehmen. 

Jetzt ist’s auch mein Stadion

Mit „For Forest“ wurde das – mit schwindelerregenden Steuergeldbeträgen finanzierte – Klagenfurter Stadion letztlich auch ein Ort für Klagenfurter wie mich. Und wir sind viele.
Dieser Nebeneffekt stand wohl nicht auf der Agenda von Klaus Littmann.
Sein Verdienst ist es trotzdem.

Kategorien: Allgemein

1 Kommentar

Hannes · 23. September 2019 um 7:40

Danke für diesen Aspekt, jetzt wo Du es sagst, fällts mir auch auf.

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